Immer Mal wieder werde ich beim Arbeiten in den Reben von Freunden und Helfenden gefragt, wieso wir die Blätter der Reben rund um die Trauben entfernen. Ob der Grund dafür sei, dass die einzelnen Beeren mehr Sonne bekommen und somit besser reifen und mehr Zucker bilden. Diese Vermutung ist zwar naheliegend aber nicht der Grund, dass wir auslauben. Denn in den Beeren wird nach dem Farbumschlag kein Zucker mehr gebildet, sondern er wird dorthin transportiert. Die Blätter werden in erster Linie entfernt, damit die Traubenzone besser durchlüftet wird und somit ein trockeneres Klima herrscht. Damit wird das Risiko für einen Befall mit Pilzkrankheiten (Mehltau, Grauschimmel) stark reduziert. Wir kennen das auch von feuchten Wohnungen, welche regelmässig gelüftet werden sollten, damit kein Schimmel wächst. Mit der Zuckerbildung hat das Auslauben also nur sehr wenig zu tun.

Der Zucker, von dem wir gerne möglichst viel in unseren Trauben haben, wird in den Blättern gebildet. Er wird da von den Chloroplasten aus CO2 aus der Luft und aus Wasser, welches die Pflanze aufgenommen hat, zusammengesetzt. Man nennt diesen Prozess Photosynthese. Der Motor der Photosynthese ist der grüne Farbstoff (Chlorophyl), der genau den richtigen Wellenbereich des Sonnenlichts adsorbiert und die Lichtenergie in chemische Energie umwandelt. Auf genauere Details hierzu will ich an dieser Stelle nicht eingehen, kann Dir das aber gerne nächstes Jahr beim Wimmen erklären. Auf jeden Fall ist der erste, phosphatfreie Stoff, welcher bei der Photosynthese gebildet wird Saccharose. Auch bekannt unter dem Namen Rohrzucker, Rübenzucker oder Kristallzucker und umgangssprachlich einfach Zucker genannt. Chemisch gesehen ist die Saccharose jedoch nur einer von vielen Zuckern. Sie ist ein Doppelzucker (Disaccharid) und aus den beiden Einfachzuckern Glucose und Fructose zusammengesetzt. In der Biologie nennt man die Saccharose auch Transportzucker, weil sie die einzige Zuckerform ist, welche in den Pflanzen von einem Pflanzenteil zum andern transportiert werden kann. Näheres dazu im Zwiegespräch im Rebberg. Somit wäre also geklärt, wie der Zucker in die Trauben kommt. Er wird in den Blättern an der Sonne gebildet und als Saccharose in die Beeren transportiert. Es ist aber auch hinlänglich bekannt, dass in Trauben keine Saccharose vorkommt oder lediglich in ganz kleinen Konzentrationen. In den Trauben finden wir Traubenzucker (Glucose) und Fruchtzucker (Fructose). Und diese zu ziemlich genau gleichen Mengen. Wir erinnern uns, dass Saccharose genau aus diesen beiden Einfachzuckern zusammengesetzt ist. Da Saccharose eine sehr schwache Säure ist, hydrolysiert sie unter Anwesenheit stärkerer Säuren und zerfällt zu Glucose und Fructose im Verhältnis 1:1 (Invertzucker). Genau dies geschieht in den Traubenbeeren, da in diesen stärkere Säuren in Form von Weinsäure und Äpfelsäure in genügenden Konzentrationen vorhanden sind.

So kommt der Zucker in die Traubenbeeren und es ist somit auch klar, dass es wichtig ist, dass die Reben eine schöne, gesunde Laubwand haben, die zur Sonne ausgerichtet ist und möglichst viel Sonne einfangen kann. Als Faustregel gilt, dass eine Traube cirka acht bis zehn grüne Blätter braucht um genügend Zucker zu bekommen. Hängen zu viele Trauben an der Rebe, ist dies nicht mehr möglich. Ein Blatt betreibt ungefähr 100 Tage Photosynthese. Aber natürlich nur bei Sonnenschein. In diesem Sinne hoffen wir für nächstes Rebjahr auf viele sonnige Tage und gesunde Pflanzen. Im nächsten Teil zu Zucker erkläre ich euch, wieso der Restzucker im Wein immer Fructose ist. Ausser er wurde künstlich zugesetzt, was die Ehre des Kellermeisters nicht zulässt und im biologischen Weinbau auch nicht zulässig ist.

Und zu Guter Letzt: Auf dem Foto hat sich ein kleiner Fehler in eine Formel eingeschlichen. Wer diesen als Erste/r bemerkt und sich meldet, bekommt als Preis eine Flasche Wein geschenkt! Viel Spass beim Knobeln.